Bauunternehmer Jörg Brömer, Kammerpräsident Stefan Füll und Kammer-Hauptgeschäftsführer Bernhard Mundschenk stehend vor einem Baukran.
Handwerkskammer Wiesbaden

28.04.2023 KonjunkturumfrageAufatmen dank verbesserter Geschäftslage, aber Unsicherheiten bleiben groß

Im ersten Quartal 2023 gab es eine Entspannung der Geschäftslage bei den rund 27.000 Handwerksbetrieben im Bezirk der Handwerkskammer Wiesbaden (Ober-, West- und Mittelhessen). Nach der ungewissen Situation zum Jahresende 2022 hatten sich verschiedene Befürchtungen abgeschwächt: So ist die befürchtete Energieknappheit während der Wintermonate nicht eingetreten und gestörte Lieferketten haben sich teilweise neu ausgerichtet. Allerdings gibt es gerade im für das Handwerk besonders wichtigen Bauhaupt- und Ausbaugewerke eine große Verunsicherung über die künftige Entwicklung. Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle Konjunkturumfrage der Handwerkskammer Wiesbaden, die bei dem Wiesbadener Bauunternehmen Brömer & Sohn GmbH vorgestellt wurde.

Kammerpräsident Stefan Füll zufolge hätten 39 Prozent der Handwerksbetriebe im ersten Quartal ihre Geschäftslage als "gut" (Vorquartal 23 Prozent) und weitere 44 Prozent als "befriedigend" beurteilt und nur 17 Prozent wählten die Option "schlecht". Erfreulich habe sich insbesondere die Auftragsreichweite von 8 Wochen im Vorquartal auf 10 Wochen verbessert. Auch habe der Preisdruck nachgelassen, aber noch immer über 70 Prozent der Betriebe berichteten von steigenden Einkaufspreisen, wobei nur knapp die Hälfte der Betriebe die Preissteigerungen über höhere Verkaufspreise weitergeben konnten. Die große Mehrzahl der Betriebe hält ihren Mitarbeiterstamm konstant und viele Betriebe sind nach wie vor auf der Suche nach geeigneten Fachkräften.

Aufhellungen erwartet, aber dunkle Wolken ziehen auf

Grundsätzlich erwarten für das zweite Quartal fast drei Viertel der befragten Handwerksbetriebe eine zumindest gleichbleibende Geschäftslage und 13 Prozent prognostizieren sogar eine Verbesserung. Allerdings fährt ein Großteil der Handwerksbetriebe hinsichtlich der künftigen Geschäftsentwicklung „auf Sicht“. Insbesondere für das Bauhauptgewerbe gibt es deutliche Alarmsignale, die auf eine Abkühlung der bis dato guten Konjunktur hindeuten. „Von dem unheilvollen Mix aus steigenden Materialpreisen, deutlich höheren Zinsen, langen Planungs- und Genehmigungsverfahren, hohen gesetzlichen Baustandards sowie bürokratischer Belastungen dürften mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung auch die Ausbauhandwerke massiv betroffen sein“, warnt Kammerpräsident Füll.

"Eine Behinderung der Bautätigkeit durch Materialengpässe ist zurzeit nicht gegeben. Die im letzten Jahr deutlich gestiegenen Baupreise in Verbindung mit dem höheren Zinsniveau, den entfallenen Wohnbauförderungen und den stark rückläufigen Wohnungsbaugenehmigungen lassen einen weiteren Rückgang der fertiggestellten Neubauwohnungen befürchten. Für das Jahr 2024 wird das Ziel von 400.000 fertiggestellten Wohnungen voraussichtlich um mehr als die Hälfte verfehlt“, so Jörg Brömer, Geschäftsführer der Brömer & Sohn GmbH in Wiesbaden.

3.200 neue Lehrverträge im Kammerbezirk Wiesbaden

Im vergangenen Jahr wurden exakt 3.200 neue Ausbildungsverträge im Bezirk der Handwerkskammer Wiesbaden abgeschlossen. "Das sind zwar sechs Ausbildungsverträge mehr als 2021, aber das Vor-Corona-Niveau mit rund 3.340 Lehrverträgen ist damit aber leider noch immer nicht erreicht", so Hauptgeschäftsführer Bernhard Mundschenk bei der Vorstellung der Eckpunkte der Lehrlingsstatistik 2022 Dabei gebe es zwischen den einzelnen Ausbildungsberufen deutliche Unterschiede: Während sich im 10-Jahresvergleich die Zahl der neu abgeschlossenen Lehrverträge bei den Bäckern und Fleischern nahezu halbiert habe,  sei erfreulicherweise gerade im letzten Jahr die Zahl der für die Energiewende sehr wichtigen Ausbildungsberufe, des Anlagenmechanikers für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik sowie des Elektronikers, um jeweils gut 9 Prozent gestiegen. In der Gesamtschau habe das Handwerk im dualen Ausbildungssystem die beste Ausbildungsquote aus dem Verhältnis von Beschäftigten zu Lehrlingen. Leider konzentrieren sich über Zweidrittel aller Ausbildungsverträge auf die zehn ausbildungsstärksten Berufe, bei insgesamt rund 130 Ausbildungsberufen im Handwerk.

Anteil von Abiturienten gestiegen

Bei der schulischen Qualifikation der Lehrlinge hat es in den letzten 10 Jahren deutliche Verschiebungen gegeben. So hat sich der Anteil von jungen Frauen und Männern mit Abitur bzw. Fachoberschule auf 13,5 Prozent fast verdoppelt, umgekehrt ist der Anteil von Hauptschulabsolventen von 54 auf ca. 40 Prozent gesunken.  "Der Trend zu höheren Schulabschlüssen dürfte auch in der Zukunft anhalten, so dass die Berufsorientierung gerade an Gymnasien noch stärker an Bedeutung gewinnt", so Mundschenk. Nachholbedarf sieht der Kammer-Hauptgeschäftsführer bei dem Anteil junger Frauen, die sich für eine handwerkliche Lehre entscheiden. "Mit aktuell 16 Prozent ist sicherlich noch Luft nach oben". Nach wie vor leistet nach seinen Angaben das heimische Handwerk einen sehr wichtigen Beitrag zur Integration von Flüchtlingen und jungen Menschen mit Migrationshintergrund. So haben rund 15 Prozent der Lehrlinge einen ausländischen Pass.